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Ich bin doch nicht blöd!

Rechnerkauf - aber richtig

Wie werden heute Computer gekauft?

Man geht in den Fachmarkt mit der Kasperle-Beratung und trägt das 1999-DM-Paket aus dem Laden. Die Leistungsdaten stehen ja alle im Prospekt: 500 MHz, 8 GB Festplatte, 17"-Monitor. Und schon hat man einen richtigen PC.

Daß das Sonderangebot vom Supermarkt nicht unbedingt immer das beste ist, erfährt man üblicherweise erst nach dem Kauf und "auf die harte Tour".

Gegen eine schlechte Vorauswahl helfen einige Strategien und Fragestellungen:

  1. Warum will ich einen Rechner?
    So albern es klingt - wer nicht weiss, was er mit einem Computer machen soll, braucht auch keinen. Wer es nicht genau weiss, braucht auch im Moment keinen - und kann mit dem Kauf ruhig noch länger warten.
    Viele vergessen es zu leicht: zum gelegentlichen Briefeschreiben ist Schreibmaschine deutlich einfacher in der Bedienung, erlaubt das Ausfüllen von Formularen und ist in fast jeder Disziplin einfacher und günstiger. Und wer einen Computer braucht, um seine 20 Briefe zu sortieren und zu verwalten, sucht eigentlich nur ein neues Hobby.

  2. Was waren die Rechneranforderungen für meine Anwendung vor zwei Jahren?
    Alle 6 Monate kommt eine neue Rechnergeneration auf den Markt, die Anforderungen steigen aber längst nicht im gleichen Maße. Mit jeder Rechnergeneration müssen sich mehrere Komponentenhersteller aufeinander einstellen und ihre Produkte aneinander anpassen.
    Im direkten Vergleich haben die alten Produktreihen weniger Leistung - aber was vor zwei Jahren topaktuell war, reicht bei den meisten Anwendungen sehr gut und ist im Betrieb einfach deutlich stabiler als die frische "Bananenware", die erst beim Kunden reift.

  3. Hat meine Anwendung höhere Anforderungen an den Rechner?
    Nach der letzten Frage glauben sehr viele Leute, ihre Anwendung hätte wesentlich höhere Anforderungen.
    Anwendungen mit höheren Anforderungen sind Systeme für den professionellen Videoschnitt, hochauflösende Bildbearbeitung für den Publishing-Bereich und "die neuesten 3D-Spiele". Wer sich zu keiner dieser drei Gruppen zählen kann, hat sehr wahrscheinlich keinen Bedarf an einem topaktuellen Rechner. Zum Texteschreiben, für Lernsoftware und "Internet" benötigt man keinen nagelneuen Rechner mit 500-MHz-Pentium-III, 3D-Grafikkarte und Surround-Lautsprechern. Auch "für die Zukunft etwas mehr" einzuplanen lohnt sich nur sehr selten.

    Die höheren Anforderungen bestimmter Anwendungen bestehen oft allerdings nicht unbedingt im Prozessor, sondern z.B. in einer besonders schnellen Festplatte oder viel Arbeitsspeicher. Was genau, kann man bei einem guten Händler oder von jemandem erfahren, der mit einer derartigen Anwendung sein Geld verdient.

  4. Was brauche ich außerhalb des Pakets?
    Wenn ich ein Rechnerpaket aus Rechner, Monitor, Tastatur, Maus und Drucker kaufe, wird sich eine dieser Komponenten als falsch oder teuer erweisen: der Monitor ist eine kleine Flimmerkiste, die Tintenpatronen für den Drucker kommen auf 200 Seiten und kosten jeweils 50 DM, als Linkshänder kommt man mit der "ergonomischen Maus" nicht zurecht und die Tastatur ist ein weiches Klapperbrett.

    Je nach Anforderungen kann es dann dann sehr sinnvoll sein, die Teile auszutauschen oder statt eines Rechnerpaketes gleich ausgewählte Einzelkomponenten zu kaufen. Wer 8 Stunden am Tag Briefe tippt, sollte auf einen flimmerfreien Monitor und eine gute Tastatur achten, interessiert sich eher für günstige Verbrauchsmaterialien des Druckers und kann mit der 3D-Soundkarte nicht viel anfangen - womit dann schon ein "übliches" Paket für eine "übliche" Anwendung ungeeignet ist.

    Wer mit seinem Rechner "Internet machen" will, sollte sich darüber im Klaren sein, daß sein Rechner dann auch eine Verbindung zum Internet braucht. Das kann dann ein Modem an der analogen Telefonleitung, eine ISDN-Karte am ISDN-Anschluß, eine Ethernet-Netzwerkkarte für Firmenzugang im Netzwerk oder neue Techniken wie Digital Powerline, ADSL oder Kabelnetzzugang sein. Nicht alles davon ist in der heimischen Wohnung verfügbar oder kostet zusätzlich Geld. "Internet" kommt (noch?) nicht "einfach aus der Luft.

Von Erfahrungen anderer profitieren

Wer einen Rechner kauft, sollte sich gut über die grundsätzlichen Risiken und Fehler informieren - wer diese Seite liest, hat damit schon einen guten Anfang gefunden.

Ein einfacher Schritt ist es, im Bekanntenkreis zu fragen und auf Leute zu achten, die viel Zeit vorm Rechner verbringen - und dann darauf zu achten, womit diese ihre Zeit vorm Rechner verbringen. Wenn jemand alle Geheimtasten in "Tomb Raider 3" auswendig kennt, macht ihn dies noch lange nicht zum Topberater beim Rechnerkauf, ebenso würde ich jemandem mißtrauen, der den ganzen Tag lang an seinem Rechner herumschraubt und sich dann freut, daß er seinen Celeron-Prozessor auf das 1,5fache übertaktet hat und nur seine Soundkarte noch nicht mit dem neuen Bustakt läuft.
Ein einfacher Anhaltspunkt ist es, jemanden zu suchen, der für einen ähnlichen Zweck einen Computer gekauft hat und sich mit dem bei einer Tasse Tee mal zusammenzusetzen, was er heute beim Rechnerkauf anders machen würde.

Testberichte?

Testberichte kann man in mehrere Klassen unterteilen:

  • Kurztest
    Ein Redakteur schaut sich ein neues Gerät einige Stunden kurz an, beschreibt einige Funktionen und ihm spontan aufgefallene Macken anhand seiner Gesichtspunkte. Eine richtige Kaufentscheidung kann ein derartiger Test nicht bieten, doch leider trifft man diese sehr oft in den einfacheren Zeitschriften an.

  • Ausführlicher Test
    Ein oder mehrere Redakteure schnappen sich ein Gerät und nehmen es genauer auseinander. Subjektive Empfindungen spielen hier dann weniger eine Rolle, eher der allgemeine Gesamteindruck und die Leistungen des Gerätes. Gibt es eine Macke, die allen aufstösst, wird diese gerne hochstilisiert. Diese Tests findet man meistens in den Computerzeitschriften.

  • Vergleichstest
    Es werden mehrere Geräte der gleichen Preisklasse für die gleiche Anwendung genau untersucht. Je nach Test nehmen hier dann Techniker, Redakteure und Dritte die Geräte genau auseinander, messen die Unterschiede und setzten sie zu den anderen Geräten in einen direkten Vergleich. Zu einem ordentlichen Vergleichstest gehört neben der tabellarischen Gegenüberstellung auch ein Text, in dem die Unterscheidungsmerkmale genauer beschrieben und gewichtet werden.
    Bei Problemen versucht man diese nicht einfach nur zu beschreiben, sondern auch als Anwender vom Händler Hilfestellung oder Nachbesserung einzuholen - und beschreibt natürlich auch das. Derartige Tests sind aufwendig und sind in qualifizierter Fassung nur in wenigen Zeitschriften zu finden, dann aber sehr wertvoll und eine gute Hilfe

  • Stiftung Warentest-Test
    Die Stiftung Warentest hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr gut um den Verbraucherschutz verdient gemacht. Was jedesmal eine Katastrophe ist, sind die Aussagen und Gewichtungen in Computerfragen. Da wird ein Gerät im Vergleich zu einem anderen abgewertet, weil das beigelegte Stromkabel weniger Zuglast aushält oder man testet einen Rechner in einer Windows-Softwareemulation gegen "echte" Windows-PCs. Daß das Kabel im Bedarfsfall einfacher ausgetauscht wäre als alles andere und die Softwareemulation auf komplett verschiedener Hard- und Software ein ganz anderes Rechnersystem mit entsprechendem Leistungsverlust "nachsimuliert", interessiert an der Stelle nicht und die Geräte werden geradezu chancenlos gegen die Konkurrenz.

Wo kaufen?

Ganz einfach da, wo man später wieder hingehen würde.

Wer sich bei einem Fachhändler gut und ehrlich hat beraten lassen, sollte auch bei diesem kaufen. Nur so kann der Händler diesen Service aufrecht erhalten und wird auch bei späteren Fragen eher ein offenes Ohr finden als wenn man sich beim Fachhändler beraten lässt, den Rechner beim MediaMarkt kauft und bei Problemen wieder zu Fachhändler geht.

Aus Kleinanzeigen kann man kaufen, wenn man mit genügend Fachwissen und Ahnung die Anzeigen zu deuten weiss. Der Begriff "Einsteigersystem" deutet oft darauf hin, daß da jemand einen zehn Jahre alten Rechner loswerden möchte, auf der anderen Seite gibt es Spiele-Freaks, die sich einmal im Jahr einen komplett neuen Rechner kaufen und ihren "alten" noch loswerden möchten - die beiden voneinander zu unterscheiden ist ohne das nötige Fachwissen aber nicht möglich.

Beipackzettel - und doch fehlt etwas

Packt man seinen neuen Rechner aus, so findet man eine Unmenge an Papierkram im Karton. Was fehlt, sind jedoch zwei wichtige Dinge - eine praxisiorientierte Anleitung und eine Aussagenliste.

Praxisorientierte Anleitung

Als einfacher Ansatz fehlt eine Anleitung, in der drinsteht, was man mit dem Rechner machen kann, was man mit den Rechner nicht machen kann und was man bei Problemen machen kann, was man bei Problemen nicht machen sollte und ab wann man Fachleute hinzuziehen sollte.

Warum? Der Einsteiger selbst kann diese Entscheidungen oft nicht treffen. Computer unterscheiden sich immer noch zu sehr von einfachen Haushaltsgeräten. Einen Computer hat zwar einen Ein- und Ausschalter am Gehäuse, aber wann man den betätigen darf, unterscheidet sich grundlegend vom Schalter einer Kaffeemaschine.

Kommt man auf die Idee, den Computer wie eine Kaffeemaschine zu benutzen und nach Gebrauch ohne "herunterfahren" per Steckdosenleiste auszuschalten, so treten zwangsweise Probleme auf, bei denen jemand ohne Computerkenntnisse nicht selbst entscheiden kann, wie schwerwiegend diese Probleme sind. Also fragt man bei jedem kleinen Problem die Fachperson - und nach einer gewissen Zeit wird es dem Frager selbst peinlich und albern, er scheut sich zu fragen und probiert lieber selbst, das Problem zu lösen, es könnte ja ein einfaches Problem sein - woraufhin dann bei einem "richtigen" Problem die Ursache noch einmal weiter "kaputtrepariert" wird.

Aussagenliste

Was ebenso fehlt wie eine brauchbare Anleitung sind ehrliche Aussagen der Softwarehersteller: für welchen Kundenkreis, welche Aufgabe und mit welchem Anspruch wurde die Software entwickelt? Wer sich ein Rechnerpaket kauft, um mit der beigepackten Textverarbeitung seine Diplomarbeit zu schreiben, sollte sehr genau prüfen, ob diese in der Praxis überhaupt dafür geeignet ist.

Was bringt mir das hochtrabende Office-Paket mit automatischem Inhaltsverzeichnis, Fußnotenverwaltung und Clipart-Gallerie, wenn die Textverarbeitung in der Praxis nur für Dokumente mit 20 Seiten halbwegs stabil funktioniert?

Um die Kanten dieser Software selbst herauszufinden, fragt man am besten normale Anwender - wer also seine Diplomarbeit schreiben möchte, fragt einfach mal ein paar Studienkollegen und achtet dabei auf jeden noch so kleinen wunden Punkt, bevor er z.B. zu StarOffice, Lotus WordPro oder Microsoft Word greift, nur, weil es dem Rechner beilag und ja auch für bestimmte Anwendungszwecke eine gute Software ist.

... und dann die Praxis

Was hinter den gerade von Einsteigern gern gekauften Systemen steckt, untersucht z.B. die Computerzeitschrift c't. Im Gegensatz zu anderen Zeitschriften prüfen bei der c't Fachleute die Systeme unter gemessenen und an der Realität gewichteten Kriterien, nicht unter subjektiven Gesichtspunkten. Auch auf den ersten Blick nebensächliche Daten werden erfasst - bei einer Soundkarte wird hier so der Klirrfaktor gemessen, bei einer Festplatte die Lautstärke gemesen.

Regelmäßig kauft die Redaktion im normalen Handel als Angebot angepriesene Rechnersysteme, um diese von ihren Fachleuten untersuchen zu lassen. Der günstige 17-Zöller zeigt nur eine maximale Auflösung von 800x600 Punkten, weil die Grafikkarte oder der Treiber nicht mehr hergeben, oder er flimmert mit 60 Hz fleißig vor sich hin. Die Super-Festplatte ist unglaublich langsam, weil sie falsch verkabelt oder das BIOS falsch eingestellt ist.
Der schicke USB-Port ist zwar auf der Platine, aber gar nicht nach außen geführt und somit nicht nutzbar. Der Ventilator macht lautstark auf seine Existenz aufmerksam, zum Ausgleich dafür kann man sich auf der Gehäuserückseite ohne weiteres die Haare fönen. Das CD-Laufwerk ist so angebracht, daß man durch ein kurzes Abrutschen bereits Ausschalter erwischt. In einem Fall fiel den Testern beim Öffnen des Kartons ein Päckchen mit Schrauben entgegen - Schrott ab Werk?

Nachbesserung am "Schrott ab Werk"

Will man die Hardware so eines Systems auf einen brauchbaren Level heben, so setzt sich einer der vielen guten PC-Profis aus dem Bekanntenkreis an den Rechner, um nach drei Stunden die notwendigen Einstellungen gemacht zu haben. Mit etwas Geld und etwas technischem Geschick kann man auch das qualitativ untaugliche Monitorkabel und den lautstarken Prozessorlüfter austauschen oder die lose oder ungünstig angebrachten Komponenten an eine richtige Stelle rücken lassen. Danach garantiert einem der Verkäufer allerdings für nichts mehr ...

Auch ein Profi kann mit den Angeboten aus dem Elektronikmarkt oft nicht viel anfangen, denn für ihn entscheidende Faktoren kann er dort nicht erfahren - 8 GB Festplatte, aber welches Modell von welchem Hersteller? Ist es eine leise 3,5"-IBM oder eine laute 5,25"-Seagate aus Restbeständen ohne Herstellergarantie? Hat der Drucker aus dem Paket wirklich die vollen drei Jahre Herstellergarantie, mit denen der Hersteller wirbt oder hat der Markt da einen Sondervertrag mit dem Hersteller, der bei günstigerem Preis niedrigere Garantiefristen setzt? Dazu noch die immer im Hinterkopf quälende Frage, ob der Verkäufer vor mir nicht letzte Woche noch bei den Kühlschränken arbeitete?

Als Konsequenz bleibt eigentlich nur noch der Gang zum qualifiziertem Fachhändler - und die wollen für ihre Leistungen und ihre besseren Produkte eben etwas mehr Geld. Systemhäuser verbieten sich eigentlich schon, da diese an Geschäftskunden interessiert sind und dem einzelnen Privatkunden daher auch nur wenig Beratung und Leistung bieten.

Interessante Links

  • c't ist eine zuverlässige, objektive Computerzeitschrift

Anders Henke, 04.05.1999